Seit einem einschneidenden Erlebnis bei einem wichtigen Geschäftsessen existiert in meinem tiefsten Innersten eine Angst, der ich mich leider bei jeder weiteren Essenseinladung seither von neuem stellen muss. Um mir eine kostspielige und langwierige Therapie zu ersparen, möchte ich der Wiederholung dieses Vorfalls mit diesen Zeilen vorbeugen.

Vor einigen Jahren wurde ich gemeinsam mit anderen Kollegen und Geschäftspartnern zum Essen eingeladen. Das aufgesuchte Restaurant war eine exzellente Wahl und ich freute mich schon auf die delikaten Speisen, die zu erwarten waren. Wie in guten Restaurants üblich, wurde zur Eröffnung des kulinarischen Reigens Brot und Butter gereicht. Und genau da passierte es. Die Person links neben mir legte sein Stück Brot auf das Brottellerchen rechts neben ihm. Da gemäß aller geltenden Tischregeln der Brotteller links neben dem Gedeck, etwa auf Höhe der eingedeckten Gläser zu finden ist, wurde ich so schlichtweg meines Tellers beraubt. Dass natürlich links neben dem Gedeck meines Sitznachbarn ein Teller sauber blieb, muss nicht näher ausgeführt werden. Weil ich nicht auch zum Tellerdieb werden wollte blieb mir leider nichts anderes übrig als brotlos in die Menüfolge einzusteigen. Der Schock hierüber saß so tief, dass ich die restlichen Gänge nicht in gewünschtem Maße genießen konnte.

Daher hier nun meine Regeln zum fehlerfreien Brotgenuss um nicht bereits am Beginn des Geschäftsessens alle Trümpfe zu verspielen:

„Wie bereits erwähnt, ist der kleine Teller links von Ihrem Gedeck, bestückt mit dem kleinen Messer, der Ihre. Auch wenn Sie Rechtshänder sind, es bleibt der Linke! Man nimmt sich ein Stück Butter mit dem Vorlegebesteck und legt es auf seinem Teller ab. Danach greift man sich ein Stück Brot oder Jour-Gebäck aus dem bereitgestellten Körbchen. Bitte nehmen Sie nur ein Stück Brot, denn es kommen noch weitere Gänge, und glauben Sie mir, Sie werden satt. Nun brechen Sie ein mundgerechtes Stück des Brotes ab und bestreichen es mit Butter. Danach nehmen Sie das ganze Stück in den Mund. Bestreichen Sie unter keinen Umständen, wie etwa zu Hause am Frühstückstisch das ganze Stück Brot mit Butter um dann wie der Hund von Baskerville zähnefletschend davon abzubeißen.“

Mit diesem Wissen ausgerüstet, muss das Küchenpersonal nicht unnötig einen übrig gebliebenen sauberen Teller reinigen, und Sie müssen nicht mit dem schlechten Gewissen leben, jemandem den Teller weggenommen zu haben.