Wenn ich durch Wien schlendere sehe ich, wie auch in vergangenen Jahren, viele Männer in Anzügen. Mancher mag nun entgegnen, dass diese Tatsache nicht weiter ungewöhnlich sei, vor allem in einer Stadt, wie Wien. Stimmt, ist nichts besonderes. Auffällig ist aber, dass immer mehr dieser Anzugträger die Krawatte weglassen. Auch in sehr konservativen Branchen, wie Banken, Anwaltskanzleien oder Versicherungen ist ein schleichendes aber stetiges Aufweichen alteingesessener Dresscodes zu beobachten. Man kann sagen, dass die Krawatte mittlerweile zu einem Schattendasein verdammt ist. Über die Gründe kann man nur Mutmaßungen anstellen.
Dieser Lockerung, von über Jahrzehnten geltenden Konventionen, stehe ich sehr kritisch gegenüber. Ohne gewisse Kleidungsregeln ist es unendlich viel schwerer, sich anlass- und standesgemäß zu kleiden. Somit tappt man auch leichter in Fettnäpfchen. Viele Berufe, vor allem jene, bei denen die Mitarbeiter Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit und Souveränität ausstrahlen sollen, wie die eben angesprochenen, erfordern geradezu makellose Kleidungskultur. Und hier darf die Krawatte keinesfalls fehlen. Auch verlangen manche Kleidungsstücke das Tragen einer Krawatte oder mindestens einer Schleife. Ein Anzug beispielsweise ohne Krawatte wirkt unvollständig, was daran liegt, dass der Ausschnitt der Jacke lediglich das Hemd zeigt und somit etwas leer scheint. Auch will der Kragen nicht so recht sitzen, vor allem bei einem Umlegekragen.

Wie gehe ich nun beim Kauf einer neuen Krawatte vor. Bevor man überhaupt in die Läden stürmt, sollte man unbedingt seinen Kleiderschrank aufsuchen und prüfen, welche Anzüge und Hemden man hat. Erst danach ist man wirklich bereit, eine Krawatte zu kaufen. Um große Ketten würde ich beim Krawattenkauf einen Bogen machen und eher gut sortierte alteingesessene Herrenausstatter ansteuern. Hier bekommt man neben kompetenter Beratung in der Regel auch weit bessere Ware zu kaufen.

Die Krawatte sollte immer aus einer Naturfaser bestehen, wobei sie bei einem guten Herrenausstatter, wie ich ihn empfehle ohnehin keine Binder aus Synthetik bekommen. In Frage kommen die Materialien Seide, Wolle oder Kaschmir. Auch Leinen-Seide Mischungen können für Sommeranzüge gewählt werden. Vorrangig ist Seide zu favorisieren. Danach kann die Krawattensammlung um Stücke aus anderen Materialien erweitert werden.
Die Wahl der Muster und Farben bleibt dem eigenen Geschmack und den Anzügen und Hemden in ihrem Kleiderschrank vorbehalten, obgleich auch auf den Anlass und das Einsatzgebiet Rücksicht zu nehmen ist. Motivkrawatten mit Mickey Mouse oder anderen Cartoons sind freilich tabu. Für die erste Krawatte würde ich, unabhängig von Anzug und Hemd, zu einem einfarbigen dunkelblauen Binder aus matter Seide raten. Dieser passt zu fast allen Hemden und wirkt bei kaum einem Anlass deplatziert.

Neben der Qualität des Materials ist auch jene der Einlage entscheidend für eine gute Krawatte. Auch sollte das Finish von Hand erfolgt sein. Der letzte Garant für die Qualität einer Krawatte ist natürlich, dass sich diese gut binden lässt. Es ist der schönste handgemachte Binder aus der wertvollsten Seide keinen Kauf wert, wenn man damit keinen vernünftigen Knoten hinbekommt.