Neulich war ich bei Rudolf Scheer und Söhne, dem geschichtsträchtigsten und meiner Meinung nach auch besten Maßschuhmacher weltweit, zu Besuch. Im gleichen Atemzug darf wohl nur noch John Lobb in London genannt werden. Schon beim Betreten des Geschäftslokals in der Wiener Bräunerstraße weht einem der Wind der 200jährigen Geschichte in geballter Form entgegen. In siebenter Generation werden hier Maßschuhe von außerordentlicher Qualität in traditioneller Machart gefertigt.
Diese Qualität wussten und wissen nicht nur unzählige Berühmtheiten und gekrönte Häupter zu schätzen. Renommee hin oder her: Ein Schuh von Scheer ist auch heute noch eine Investition fürs Leben. Wer die Schuhe im Keller des Hauses aus dem 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gesehen hat, wird aber viel eher von einer Investition für Generationen sprechen, zumal die gezeigten Schuhe noch immer durchaus tragbar sind.
Im Obergeschoss befindet sich die Werkstatt, wo an jeder Ecke geschäftiges Treiben herrscht. Es werden Rahmen genäht Leisten gefertigt oder Leder zugeschnitten. Was mir persönlich sehr imponiert hat, war Markus Scheer, den Herrn des Hauses, mitten unter den Mitarbeitern zu erblicken. Herr Scheer ist im wahrsten Sinne des Wortes Schuhmacher aus Leidenschaft und baut auch selbst viele der Schuhe für seine Kunden. Bei all den Betrieben, die eher von Buchhaltern und Managern als von Menschen mit Leidenschaft für ihr Produkt geführt werden, ist dieses Engagement, welches Herr Scheer an den Tag legt, eine erfrischende Ausnahme.
Wer aber glaubt, bei Scheer gibt es nur Maßschuhe, der irrt gewaltig. Ein weiterer Raum im Obergeschoss beherbergt zusätzlich noch eine Taschnerei. Auch die Taschen, Koffer und Kleinlederwaren werden dem hohen Anspruch des Hauses gerecht. Besonders angetan hat es mir hier ein Aktenkoffer aus rotem Leder, der sich dadurch auszeichnet, dass er beim Öffnen mit dem Boden eine ebene Fläche bildet.
Obgleich die Qualität der Stücke, die den Betrieb Rudolf Scheer und Söhne verlassen, mehr als nur herausragend ist, so ist es vor allem die Individualität der Produkte, die für mich das gewisse Etwas ausmacht.
Mein Fazit: Dieses Mal war ich als Besucher bei Herrn Scheer. Das nächste Mal kehre ich aber bestimmt als Kunde bei Rudolf Scheer und Söhne ein. Es wird dann wohl der rote Aktenkoffer oder aber ein Paar Knopfstiefletten, die man so wohl nirgends mehr findet, werden.